Beim Nachbarn Polen zu Gast

 

 

 

 

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr führte mich eine Reise nach Polen. Fuhr ich im März nach Wroclaw mit der Eisenbahn, so waren wir jetzt mit Auto und Fahrrad in Nordpolen unterwegs. Hier die ersten Eindrücke.

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Der ADFC nennt auf seinem Internetportal den  europäischen Radfernweg R 1 als Polens bedeutendste  Radroute für Touristen. Wer ihn befährt, überquert die Grenze zu Deutschland in Küstrin an der Oder. Zur russischen Exklave Kaliningrad (vorm. Königsberg) gelangt man in der Nähe vom  polnischen Braniewo (vorm. Braunsberg). An beiden Stellen gibt es keine Radwege. Das Radwegsignet ist entlang vielbefahrener Straße angebracht. Mehr oder weniger zufällig handelt es sich um Abschnitte der ehemaligen “Fernverkehrsstraße 1” bzw.”Reichsstraße 1” (ab 1934), die von Aachen über Berlin nach Königsberg führte. Interessant darüber lesen kann man im gleichnamigen Buch der englischen Journalistin Patricia Clough.

Das und viel mehr haben wir gesehen bei unserer diesjährigen Urlaubsreise durch Nordpolen. Anfang Mai starteten wir die zweiwöchige Auto- Radtour in Dresden und fuhren über Berlin und Koszalin nach Gdansk. Bereits bei der Ankunft fiel uns dort das städtische Radwegenetz auf. Mutig beschlossen wir, trotz teilweise holpriger Straßen die Altstadt per Rad zu erkunden und anschließend ans Meer zu radeln. Zugute kam uns der geringe Straßenverkehr am polnischen Feiertag (3. Mai – Tag der Verfassung).

Erste Irritationen gab es kurz nach dem Start, als der auf der rechten Straßenseite angelegte Radweg (für beide Fahrtrichtungen) nach einer Kreuzung auf der linken fortgeführt wurde. Man muss auf die Markierung achten, Hinweiszeichen auf die Überleitung fehlen. Das widerfuhr uns mehrmals, auch in anderen Gegenden. Sind wir Deutsche überreglementiert? Mit der Zeit stellten wir uns auf die Gepflogenheit ein, dem Verlauf der Radwege vor allem nach der Bodenmarkierung zu folgen. Ohnehin schien uns die Radwegweisung in Städten sehr spärlich zu sein. Im Gdansker Stadtplan entdeckten wir jedoch Markierungen für Radwege entlang der Straßen. Die Route ans Meer war an dem Tag jedoch besonders leicht zu finden. Wir radelten inmitten Hunderter anderer fröhlicher Leute. Viele Familien nutzten den freien Tag für gemeinsame Ausflüge. Dicht auf dicht fuhren die Räder, doch kein Drängeln und Fluchen. Auch Profis ordneten sich ein und mutierten nicht zu “Kampfradlern”.

Unsere nächste Reisestation war Frombork am Frischen Haff, kurz vor der russischen Grenze. Der Ort ist berühmt ob seiner Burg (Frauenburg), in der Kopernikus wirkte. Im Hotel entdeckten wir einen Flyer des ostpolnischen Radverkehrsprojekts Greenvelo.

Das Projekt “zielt auf die Modernisierung der bereits bestehenden Radwege, den Aufbau von neuen Strecken, die Mitbenutzung von bestehenden Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen, den Aufbau eines Netzes von Rastplätzen und eine entsprechende Beschilderung der gesamten Route ab. Die Route ist so ausgelegt, dass sie durch touristisch attraktive Gebiete (u.a. Naturschutzgebiete, Denkmäler, wichtige Verkehrsknoten usw.) führt.” 2000 Kilometer Streckenlänge soll dieses Radwegenetz von der Ostsee über die Masuren bis ins Karpatenvorland erreichen.

Das Projekt wird größtenteils aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung finanziert. Ein Umstand, der uns auf der Reise öfter begegnete. Auch der Ortskern von Frombork ist mit einer finanziellen Unterstützung von ca. 1 Mio. Euro neu gestaltet worden. Es macht nachdenklich, auf vielen örtlichen Infotafeln über solche Gemeinschaftsprojekte zu erfahren und zugleich die aktuellen politischen Diskussionen zu verfolgen…  Wir sind dann eine kleine Greenvelo-Runde gefahren.

Sehr radfahrerfreundlich erlebten wir die dritte Station unserer Reise: die Stadt und den Kreis Chojnice, mit dem Ferienort Charzykowy und dem Naturschutzgebiet am gleichnamigen See. Entlang der Seen und durch die Wälder bis zur Innenstadt des früheren Konitz reicht das (EU-geförderte) Radwegenetz. Nur verlassen sollte man es nicht. Dann erwartet einen Sand, Sand und nochmal Sand. Cross-Radler dürften sich hier wohlfühlen. Nach dem Bau der kilometerlangen, zumeist straßenbegleitenden Radwege ist es verboten, sich auf den Straßen mit dem Fahrrad zu bewegen. In dichten Abständen weisen Verbotsschilder daraufhin. Mit dem Zusatzverweis auf den Radweg.

In der Region des Naturparks “Bory Tucholskie” sind die Rad- und Wanderwege neu markiert worden. Dumm nur, dass die Farben für die einzelnen Routen auf den Karten und Orientierungstafeln der verschiedenen Organisationen (Kreis, Stadt, Naturpark etc.) nicht einheitlich sind. Dennoch gelangten wir immer ans Ziel. Und ohne weitere Hilfe via Smartphone.

Beim Nachbarn Polen waren wir gern zu Gast und möchten wiederkommen. Herrliche Landschaften, gute Küche und vor allem viele freundliche und hilfsbereite Leute. Dzienkuje bardzo!

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