Das Jahr 2016 ist drei Wochen alt. Eine dicke Schneedecke hat die Stadt eingehüllt und wird nachts vom ersten Vollmond des Jahres beschienen. Doch von Winterruhe keine Spur. Ein Werkstattbericht.
Vor über zwei Jahren habe ich ein Forschungsprojekt zu Zielkonflikten im dynamischen Verkehrsmanagement abgeschlossen. Leider ist der Schlussbericht noch nicht veröffentlicht worden. Nun begegnet mir das Thema erneut bei der Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen öffentlichem, Rad- und Fußgängerverkehr.
In Deutschland gehören die drei genannten Verkehrsarten zum so genannten Umweltverbund, in der Schweiz unterteilt man den öffentlichen und Langsamverkehr. Wobei die Reise mit dem Velo schneller sein kann als mit dem Tram, wie ich über meine Basler Erfahrung schon mal geschrieben habe.
Es sind die „Guten“ bei den Verkehrsteilnehmern und doch können sie sich gegenseitig im Wege stehen resp. fahren. Offenkundig wird das, wenn öffentliche Verkehrsmittel an “Ampeln” absoluten Vorrang genießen. Erreichen Fußgänger an Lichtsignalanlagen die Haltestellen und damit Tram oder Bus nicht mehr (Anschlüsse sind „futsch“, sagt man in Dresden) oder können Radfahrer Kreuzungen nicht in einem Zuge befahren, so tritt ein Zielkonflikt auf. Zwischen denen, die drin sitzen, und denen draußen. Das ist ein Beispiel, ein weiteres wären die gegenseitigen Bedrängnisse von Radfahrern und Fußgängern auf gemeinsam genutzten Wegen.
Für die Planung von Verkehrsanlagen gibt es umfängliche Regelwerke, in denen geschrieben steht, wie der Verkehr optimal laufen kann. Auf mögliche Interessen-/Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern wird hingewiesen, doch es braucht einen umfänglicheren multimodalen und interdisziplinären Ansatz. Im eingangs erwähnten Forschungsprojekt wurde eine Methode für die (partielle) Lösung von Problemen entwickelt. Und die erfordert neben dem unverzichtbaren technischen Sachverstand vor allem eine gute Kommunikation, sprich Dialog.
Kommunikation ist auch ein Kernelement für die „Smart City Challenge“, vor der die US-amerikanischen Städte stehen. Das U.S. Department of Transportation (USDOT) hat einen Wettbewerb gestartet, um Pilotprojekte in mittelgroßen Städten (gemeint sind solche mit mehr als 500.000 aber weniger als 1 Mio. Einwohnern!) zu lancieren. Es geht um die Digitalisierung der Städte.
Das Thema ist auch hierzulande präsent. Gerade bereitet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung einen Dialog darüber vor, wie die Digitalisierung auf Städte und Stadtgesellschaften wirken wird, welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Bereits 2014 hat der Senat von Hamburg ein Memorandum of Understanding zur Smart City–Initiative vorgestellt. Manches erinnert mich bei Smart Cities allerdings an den Roman „Circle“ von Dave Eggers (Quelle: Wikipedia.org.). Alles und jede(r) sind über das Netz miteinander verbunden.
Bei dieser Gelegenheit komme ich zurück auf eine Kehrseite der stetig voranschreitenden Vernetzung von Verkehrsteilnehmern, Verkehrsdienstleistern und Verkehrsinfrastruktur. Die ist heute schon – im Wortsinne – leidvoll zu erleben.
So hatte ich in dem Ende 2015 abgeschlossenen Forschungsprojekt „ Modellversuch für ein effizientes Störfallmanagement auf Bundesautobahnen“ (in Hamburg) auch Polizeinotrufe (110) auszuwerten. Diese kamen fast ausschließlich über Mobiltelefone. Es waren nicht wenige Anrufer dabei, die sich nur mit Hilfe des Navis orientierten und plötzlich, als sie eine Panne oder einen Unfall hatten, nicht wussten, wo sie eigentlich waren. Der Dialog mit der Einsatzzentrale gestaltete sich schwierig. Da kann (über)lebensnotwendige Zeit verstreichen, ehe die Hilfe am richtigen Ort eintrifft.
Smarte Cities brauchen Rückfallebenen, technisch und mental. Zugespitzt formuliert: so wie neue (Kommunikations-)Technologien den Alltag verbessern können, so gefährlich kann es werden, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht funktionieren. Es braucht Redundanzen bei der Technik, vor allem aber im Kopf. Man sollte die einfachen Dinge nicht verlernen.
Smart City Challenge bedeutet auch, die großen Gruppen der Älteren, Behinderten und sozial Benachteiligten nicht außer Acht zu lassen. Aus diesem Grund haben das USDOT und andere Organisationen die „Accessible Transportation Technologies Research Initiative“ gestartet. Sie soll mithelfen, dass alle Bürger des Landes neue Technologien nutzen und sicher mobil sein können. Auf diesem Weg wird es Zielkonflikte geben, die es zu lösen gilt. Ein sprödes, aber spannendes Thema.
Ach so: Ich bin dann mal weg… Schnee schieben und Streuen vor dem Haus.