Kaiser, Knödel und ein Schmarrn

Das Café Museum in Wien verführt mit Köstlichkeiten und entführt in die Geschichte. Ein kurzer Reisebericht.

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Um es gleich vorwegzunehmen: Kaiserschmarrn und Marillenknödel schmecken vorzüglich im Wiener Café Museum. Trotz mehrerer Besitzerwechsel und Umbauten ist es der traditionelle Treffpunkt für Künstler, Touristen und Einheimische geblieben. Wir sitzen in der warmen Nachmittagssonne auf der Terrasse und beobachten Leute mit und ohne Hut. Chapeau! So heißt eine aktuelle Ausstellung im Wienmuseum am Karlsplatz zur „Sozialgeschichte des bedeckten Kopfes“, die wir gerade gesehen hatten. Hüte und Mützen sind nicht nur modische Accessoires, sondern auch politische Botschaften, religiöse Bekenntnisse und Berufsbekleidung. Der sperrige Titel der Ausstellung sollte nicht vom Besuch abhalten, wenn gleich die parallel gezeigte Schau „Sex in Wien“ viel spannender klingt.

Das Café Museum wurde 1899 eröffnet. Zu seinen Gästen zählte auch der Schriftsteller Joseph Roth (1894 – 1939). Seine Bücher werden seit einigen Jahren in Deutschland neu aufgelegt. Zu den bekanntesten gehört der Roman “Radetzkymarsch” in wortwörtlicher Anspielung auf die Musik von Johann Strauß. Roth`s Thema ist der Untergang der Habsburger Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg. Dem Roman folgt thematisch ein weiterer: “Kapuzinergruft”. Das ist der Name der Kaisergruft in der Kirche des Kapuzinerklosters unweit der Oper. Nur einen kurzen Spaziergang vom Café entfernt. Seit 1633 werden in den unterirdischen Gewölben die Habsburger bestattet. Einzig die aus Dresden (!) stammende Kinderfrau von Maria Theresia namens Gräfin Fuchs-Mollard gehört nicht zu ihnen. Die Kaisergruft wurde jüngst restauriert und wer sich Zeit nimmt, sieht nicht nur prächtige Särge mit allegorischen Verzierungen, sondern erfährt viel über europäische Geschichte. Manchmal meint man, es sei alles wieder aktuell. Auch Otto von Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers, wurde 2010 hier beigesetzt (Foto rechts). Man erinnert sich an das “Paneuropäische Fest”, das er 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze initiierte. Damals zerschnitten die Ungarn den Stacheldraht des Grenzzauns…

Joseph Roth entstammte einer ostgalizischen jüdischen Familie und kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Wien. Die Stadt und die Juden, das ist ein weiteres Kapitel von Österreichs Geschichte und Gegenwart. Im Jüdischen Museum erfährt man, wie sie hier vor dem Holocaust lebten und wie es nach Kriegsende weiterging. Zurzeit bietet das Museum eine Sonderausstellung, die man als sensationell bezeichnen kann: Stars of David. Der Sound des 20. Jahrhunderts. Barbra Streisand, Bob Dylan, Billy Joel, Neil Diamond, Amy Winehouse, Paul Simon und Leonard Cohen sind nur einige der Künstlerinnen und Künstlern, die hier visuell und akustisch zu erleben sind. Komponisten wie George Gershwin, Leonard Bernstein und Stephen Sondheim waren am Broadway oder in Hollywood erfolgreich und schufen Klassiker der Filmmusik [Zitat Begleittext]. Außer den amerikanischen Stars werden israelische, französische und Wiener Musiker vorgestellt. Das Design der Sonderausstellung lässt die Besucher in die Welt des Showbusiness eintauchen und die Umgebung für eine Weile vergessen. Chapeau! möchte man den Ausstellungsmachern zurufen.

Zurück ins Café Museum. Hier verkehrte auch Otto Wagner (1841 – 1918), Wiens berühmter Architekt und Stadtplaner der Belle Époque. Er war maßgeblich an der Planung und städtebaulichen Einbindung der Wiener Stadtbahn beteiligt. Ihm verdankt die Stadt einige der noch erhaltenen Jugendstilpavillons an den Bahnstationen. So auch am Karlsplatz, wo in einem der Häuschen das Werk Otto Wagners dokumentiert ist. Stichwort Baukultur. Nachzulesen auch im Buch „Vom Sesselträger zum Silberpfeil – 200 Jahre Wiener Verkehrsgeschichte“.

Nach so viel historischer Reminiszenz braucht es noch Aktuelles. Den neuen Wiener Hauptbahnhof zum Beispiel. Wie gern würde ich an der Abfahrttafel Berlin und Dresden lesen. Doch das ist wirklich ein Schmarrn. Seit fast zwei Jahren gibt es keine Eisenbahndirektverbindung mehr nach Deutschland via Prag. Vindobona adé!

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