Es gibt spannendere Themen als die Kreisgrenzen zwischen Meißen und Elbe-Elster oder Bautzen und Oberspreewald-Lausitz. Ein Irrtum. Hier findet man Industrie- und Verkehrsgeschichte und vor allem ganz große Politik. Mit dem Rad habe ich mal wieder die Grenzregionen von Sachsen und Brandenburg und eine Menge Neues erfahren.
Auf dem Elbradweg zwischen Meißen und Riesa stößt man bei Glaubitz auf ein gemauertes Bassin. Direkt neben der Elbe. Es ist der Endpunkt des Grödel – Elsterwerdaer – Floßkanals. Der führt auf einer Länge von 26 Kilometern bis zur Schwarzen Elster bei Elsterwerda. Und hat eine lange Geschichte [Quelle: Wikipedia.org, 18.07.2016]
Der sächsische Kurfürst Friedrich August I (der Starke) baut Dresden zur prächtigen Residenzstadt aus. Dazu benötigt man neben Sandstein auch Holz. Das Erzgebirge ist ausgebeutet, Böhmen verlangt zu viel Geld. Doch die Wälder im Norden Sachsen, an der damals noch nicht begradigten Schwarzen Elster, sind ein großes Reservoir. Um die geschlagenen Bäume nach Dresden zu bringen, braucht es einen geeigneten Transportweg. 1702 erteilt der Kurfürst den Auftrag, einen Kanal zu planen. Für Kähne, die das Holz an die Elbe bringen, wo es auf größere Schiffe umgeladen und in die Residenzstadt gebracht werden kann. 1748 ist es geschafft, der Kanal wird eröffnet. Freifrau Benedicta Margareta von Löwendal, die in Lauchhammer ein Eisenwerk bauen ließ, vererbt 1776 ihren Besitz an ihr Patenkind Detlev Carl von Einsiedel. Der eröffnet 1779 in dem zu seiner Herrschaft gehörigen Dorf Gröditz an der Röder ein weiteres Hammerwerk. Das für dessen Betrieb notwendige Wasser ist durch den neuen Kanal reichlich vorhanden.
1815 die Zäsur. Der Wiener Kongress zwingt Sachsen, Gebiete der Lausitz an Preußen abtreten. “Ortrand und die Straße von diesem Orte… mit den Dörfern, welche diese Straße durchschneidet, und zwar so, daß kein Theil der besagten Straße ausser dem preussischen Gebiete bleibe, kommen unter die Herrschaft Preussens.“ (Wiener Congreß-Acte; Quelle: www.histoire-empire.org September 2009, Übersetzung Universität Göttingen).
Der Grödel – Elsterwerdaer – Floßkanal wird geteilt. Zwischen Gröditz und Prösen verläuft die Grenze und sorgt dafür, dass die nächsten fünfzig Jahre nichts mehr vom Holz an der Schwarzen Elster zur Elbe gelangt. Dann einigen sich Preußen und Sachsen, den Kanal wieder zu ertüchtigen. Doch für einen neuen Aufschwung ist das fast zu spät. Die neuen Eisenbahnstrecken von Dresden nach Berlin und von Elsterwerda nach Riesa sind schnellere Transportwege. Das Stahlwerk Gröditz nutzt noch einige Jahrzehnte den Kanal. Heute ist er Teil eines schönen Landschaftsraums und Naturerlebnis. Zwischen dem Elbradweg und dem Elsterradweg schafft die neue Floßkanal – Route eine gute Verbindung. Auf dem ADFC – Tourenportal ist sie leider noch nicht zu finden. Auf sächsischem Gebiet wurde ein eigenes Logo für diesen touristischen Radweg kreiert. Infotafeln am Wegesrand vermitteln historische Reminiszenzen. Die 26 Kilometer lange Tour ist gut ausgeschildert. Länderübergreifend werden die Fernziele angezeigt. Nur auf brandenburgischem Gebiet scheint kein Geld mehr vorhanden zu sein, Erinnerungen an den Kanal zu pflegen. Ein nachgebautes Schiffsmodell verwitterte und zerfiel. Die Infotafel nahe der früheren Schleuse in Prösen wird bald folgen. Vielleicht kann der Freistaat Sachsen etwas spenden. Immerhin gab der sächsischen Kurfürst den Anstoß, den Kanal zu bauen.
Ich bin dann weiter geradelt. Zum Elsterwerdaer Schloss und auf dem Elsterradweg nach Lauchhammer West. Im Schlosspark läutete die Glocke der Kirche zu Mittag. Das Schloss selbst, es gehörte der schon erwähnten Freifrau von Löwendahl, brannte 1945 vollständig ab. Zurück fuhr ich meist im Schatten des Waldes über Frauendorf nach Ortrand. Das wäre auch ein Routenvorschlag [Länge ca. 60 km; An-/Abreise mit Bahn bis Glaubitz bzw. ab Ortrand, VVO-Netz]. Wer eine längere Strecke bevorzugt, fährt von Frauendorf nach Kroppen und stößt dort auf den vom Dresdner ADFC vorgeschlagenen Radweg von Berlin nach Dresden. Diesmal bleibt die Grenzerfahrung aus. Der Übergang von Brandenburg nach Sachsen ist nicht erkennbar. Ich komme aus der Geschichte in den Alltag zurück.