Von einer Stadt, die mehr ist als ein Bahnhof
„Wer beim Wort <Olten> nur Bahnhof versteht, steigt besser aus. Abseits der Geleise wartet eine lebhafte Kleinstadt.“ Mit diesen Worten werben Präsident und Geschäftsführer von Olten Tourismus. Doch bevor man auf Entdeckungstour gehen kann, hört man wie allerorten auf Deutschschweizer Bahnhöfen die vertraute Ansage: „Olten – ihre nächsten Verbindungen“. Das sind viele. Olten ist ein Eisenbahnknotenpunkt, auch wenn die Züge von Basel nach Zürich den Bahnhof nur tangieren. Wenn Sie es (noch) nicht wissen sollten, Olten liegt an der Aare und von hier aus erreicht man alle großen Orte der Schweiz im Direktverkehr. Entlang des Juragebirges führt die Strecke nach Genf bzw. Lausanne. Über Bern gelangt man nach Interlaken oder via Lötschbergtunnel nach Visp und Brig, von wo aus Italien nicht mehr weit ist. Nach Zürich, Basel und Luzern dauert die Reise jeweils eine halbe Stunde.
Diese vielen und meist schnellen Verbindungen haben Olten zu einem idealen Treffpunkt für Schweizer aus allen Regionen gemacht. Im Umfeld des Bahnhofs befinden sich mehrere Kongresshotels. Auf diese Weise bin ich zum ersten Male und dann öfter hierhergekommen. Einige der jährlichen Fachkonferenzen der Schweizer Vereinigung der Strassen- und Verkehrsfachleute finden in Olten statt. Man trifft sich bei Kaffee und Gipfel bevor die Tagung beginnt und erfährt dabei schon Neues. Gegen Ende der Veranstaltung verabschieden sich die Leute im Fahrplantakt und eilen zum Bahnhof. Manchmal reicht die Zeit noch für ein Bier.
Und hier beginnt das Problem von Olten Tourismus. Wer bleibt schon länger als er muss in dieser Stadt. Der erste Eindruck wird vom Bahnhof bestimmt. Der ist unübersichtlich und von langen Durchgängen geprägt. Ein zentrales Empfangsgebäude fehlt und damit auch ein Begegnungsort.
Aber man spürt Lebendigkeit, die mehr ist als ankommen und abfahren. Gleich neben dem Bahnhof fließt schnell und mächtig die Aare. An ihrem Ufer sitzen die Leute auf Bänken und in Bistros. Es ist das Flair einer Stadt am Fluss. Eine überdeckte Holzbrücke führt in die kleine Altstadt mit Cafés, Kneipen und Boutiquen. Für mich wirkt es hier nicht so bedrückend wie in manch anderen Schweizer Kleinstädten.
Auf der anderen Bahnhofsseite befindet sich die Fachhochschule der Nordwestschweiz. Viele junge Leute bevölkern die Stadt. Es gibt eine bunte Kneipen- und Kulturszene, nicht zuletzt auch deshalb, weil von den rund 17.000 Einwohnern über 27% Ausländer sind. Wer genauer hinschaut, wird zwischen den vielen und teilweise auch hässlichen Zweckbauten interessante Häuser entdecken können. Beispiele für die Architektur der Moderne, wenn auch nicht so spektakulär wie andernorts.
In Olten lebt der über die Schweizer Grenzen hinaus bekannte Schriftsteller Alex Capus. Seine Bücher, z. B. Fast ein bisschen wie Frühling, Eine Frage der Zeit, Léon und Louise, sind literarische Geheimtipps und in deutschen Verlagen erschienen.
Olten ist laut. Nicht nur wegen der Eisenbahn. Die Stadt leidet unter dem starken Durchgangsverkehr auf ihren Straßen. Auf den nahegelegenen Autobahnen A1 und A2 sieht es nicht besser aus. Staumeldungen zwischen den Verzweigungen Härkingen und Wiggertal sind die Regel. Man plant Entlastungsprojekte. Doch grundhafte Verbesserungen dürften kaum möglich sein. Siedlung, Fluss und Berge schränken den Raum ein. Die wirkliche Lösung kann nur eine Abnahme des Verkehrs bringen. Doch die Schweizer sehen sich als ein Volk der Pendler. Die vollen Züge im Bahnhof Olten bestätigen das. Für die meisten derer, die hier ein- und aussteigen, ist die Ansage „Olten – Ihre nächsten Verbindungen“ vermutlich nicht erforderlich. Sie leben in der sogenannten Wohnregion Olten. Und die soll noch wachsen. Steigen Sie mal aus und schauen sich um. Olten ist mehr als ein Bahnhof.
Viel Wissenswertes erfahren Sie auf der Website der Stadt Olten
Olten, am 9. September 2015