Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen…sagt ein altes Sprichwort. Auch in Zeiten von Smartphone-Apps und Selfies hören und sehen sich immer noch viele Leute Reisereportagen an und lesen gern, was Reisende berichten. Etwas davon ist auch in meinen Blogbeiträgen zu finden.
Reisen ist für mich ein Lebenselixier. Die meisten meiner Blogbeiträge beschreiben Eindrücke und Einsichten, die ich unterwegs gewonnen habe. Unterwegs zuhause sein ist für mich das Höchste, das man auf Reisen erreichen kann. Äußere Umstände und eigene Befindlichkeit kommen in Einklang.
Allein in den vergangenen zwölf Jahren, ich komme auf einen Text vom November zurück, bin ich etwa fünf Mal um die Erde gereist. Das ist nicht so viel mehr, als ein durchschnittlicher Pendler zurücklegt und viel weniger, als ein Außendienstmitarbeiter bewältigt, der zu Kunden im ganzen Lande fährt. Dennoch prägt Reisen das Bild meiner Arbeit und zum Privaten gehört es allemal dazu.
Eisenbahn und Flugzeug sind die Verkehrsmittel, die ich nutze. Im Auto fahre ich mit. Bus und Bahn und Fahrrad gehören natürlich auch dazu. Das ist der Stoff, aus dem die praktischen Erfahrungen mit Verkehr und Mobilität kommen, die für meine Arbeit unabdingbar sind. Insoweit sind Reisen nicht nur das Mittel, um von A nach B zu gelangen, sondern vielmehr auch Zweck der Übung.
Der typische Aktionsradius meiner beruflichen Reisen ist beschränkt. Er reicht von Hamburg im Norden, Köln im Westen und der Lausitz im Osten bis nach Wien und Lugano im Süden[1].
In den meisten großen und so manchen kleinen Städten finde ich mich schon lange ohne Karte zurecht. Es macht Spaß, aus dem Bahnhof zu treten und zu wissen, wohin ich gehen muss. An guten Tagen nehme ich auf, was sich verändert hat, oder freue mich einfach, Vertrautes wiederzusehen. Bin ich nicht so gut drauf, dann schalten Kopf und Beine auf Automatik und steuern auf kurzem Wege das Ziel an. Manchmal muss ich nur die Flussseite wechseln, wie am Zürcher Hauptbahnhof.
Ähnlich erlebe ich Bahnfahrten. Auf vielen „Stamm-Strecken“ habe ich etwas, das ich gern anschaue. Meist sind es Flusslandschaften, wie die Saale bei Naumburg, manchmal auch weites Land wie in Brandenburg oder die Schweizer Bergpanoramen auf dem Weg nach Bern. Da ich unterwegs oft arbeite, entspannt der gelegentliche oder längere Blick aus dem Zugfenster. Zwischen Hildesheim und Braunschweig entdeckte ich ein Bild: eine lange Reihe einzeln stehender Bäume säumt die Landstraße, die in einigen hundert Metern Entfernung verläuft, und zwischen diesen Bäumen bewegen sich Autos wie Spielzeuge. Dieses Muster findet sich in hügeligen Gegenden häufig.
Reisen sind Auszeiten. Soziologen haben das erforscht und Schriftsteller beschrieben. Doch Harmonie dauert nicht ewig oder stellt sich gar nicht erst ein. Über das, was nicht funktioniert, will ich hier nicht schreiben, da kann jeder mitreden. Für den Fachmann ist es die Instabilität von Verkehrssystemen, die das Reisen erschwert. Und der Vielreisende entwickelt Szenarien, wie er mit Störungen umgeht. Man kann das auch als Optimierung bezeichnen. Zeitverluste minimieren und die zweckbezogene Zeitnutzung maximieren. Das beginnt in der Regel schon bei der Reisevorbereitung. Kostenoptimal soll es außerdem sein. Nicht einfach, weil die Umbuchung oder Stornierung immer teurer werden.
Es ist anstrengend, möglichst optimal reisen zu wollen. Oft sind es die vorgegebenen Termine, die wenig Spielraum lassen. Doch mit der Zeit verinnerlicht man den Druck und erzeugt ihn selbst, um der „unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ (Milan Kundera) zu entfliehen.
Früher hieß es, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Heute berichten manche Leute nur über lange Staus auf Autobahnen, verpasste Zuganschlüsse oder gestrichene Flüge. Und staunen, was andere unterwegs sehen und erleben. Wenn kurz vor dem Frankfurter Hauptbahnhof der Stress im Zug deutlich zunimmt, zeige ich den Sitznachbarn schon erst mal die Felder bei Offenbach, wo die sieben Kräuter für die Grüne Soße wachsen. Die Reaktionen sind immer wieder verblüffend.
Hin und zurück und das möglichst schnell, diese Maxime habe ich schon seit längerem aufgegeben. Frei – beruflich arbeiten gestattet es mir, ich gestatte es mir, auf Reisen Nützliches mit Angenehmen zu verbinden. Ausstellungen besuchen, mit dem Leihfahrrad die Gegend erkunden oder einfach nur flanieren und bei einem Espresso die Leute beobachten.
Was ich dabei Interessantes entdecke, schreibe ich weiterhin auf, in diesem Blog. Wenn ich nur wenig über das Ärmliche, Bedrohliche oder Hässliche berichte, dann nicht, weil ich davor die Augen verschließe, sondern weil ich darüber nicht so „en passant“ plaudern möchte. Ich hoffe jedoch, dass trotz aller Probleme das im Wortsinne einfache Reisen möglich bleibt.
[1] Manche werden sagen: eine kleine Welt. Dank der Verbindung mit Fachkolleginnen/Fachkollegen vor allem in den USA konnte ich in ihre, für uns größere Welt eintauchen und die zwei folgenden Beiträge recherchieren und veröffentlichen:
– In größeren Dimensionen: Radverkehrsstrategien in Australien und den USA; in „Internationales Verkehrswesen“ Berlin, Heft 3 September 2015
– ÖV und Langsamverkehr in den USA: Der neue „Way of Life“ auf Schienen, Fuss- und Radwegen?; in „Strasse und Verkehr“ Zürich, Dezember 2015