Gestern bekam ich Post von der Deutschen Bahn

Seit Juni 2024 wird die Bahncard ausschließlich als digitales Ticket verkauft. Das nach dem Ende seiner Gültigkeit verschwindet. Erinnerungen hingegen wecken die alten Plastikkarten.  

Gestern bekam ich Post von der Deutschen Bahn. Auf elektronischem Weg natürlich. Man fragte, ob ich mal wieder mit Freunden verreisen will. Um die Antwort zu erleichtern, bot man mir an, eine preisgünstige Senioren-Bahncard zu kaufen. So weit, so gut. Das Neue an dieser Werbemail war die Information, dass Bahncards seit Juni 2024 ausschließlich als digitale Tickets erhältlich sind.

Es ist vor ungefähr zwanzig Jahren gewesen, als ich zum ersten Mal meine Fahrkarte online kaufte und selbst ausdruckte. Zehn Jahre später ging ich als digitaler Junger Alter dazu über, Zugbillets und Bordkarten für Flugzeuge mittels Smartphone zu nutzen. Das spart Papier und, wenn es funktioniert, auch Zeit. Nur eines bleibt dabei auf der Zug-bzw. Flugstrecke, eine gegenständliche Erinnerung an die Reise. So geschieht es nun auch mit der Bahncard. Nostalgisch verklärt, krame ich meine vielen aufbewahrten Plastikkarten hervor.

Im August 1997 habe ich meine erste Bahncard 50 für die 2. Klasse gekauft. Da lag ihre allgemeine Einführung schon fünf Jahre zurück. Nach der Jahrtausendwende und einigen tausend Zugkilometern mehr stieg ich auf die Bahncard First um, also jene für die erste Zugklasse. Ich reiste als Beratender Ingenieur ständig durch ganz Deutschland und bald noch weiter in die Schweiz und Österreich. Bahncards boten mit „RailPlus“ auch Rabatte auf Strecken ins benachbarte Ausland an.

Im Jahre 2002 hatte ich schon den Status eines privilegierten Reisenden erreicht. Auf der Bahncard war „bahn.comfort“ eingeprägt. Fortan durfte ich auf jenen Plätzen im Intercity/-express sitzen, die Vielreisenden vorbehalten waren. Das war einerseits bequem, andererseits in vollen Zügen mit der etwas unangenehmen Frage an andere Leute verbunden, ob sie berechtigterweise auf einem ebensolchen Platz säßen, wenn man selber keinen anderen mehr fand oder suchen wollte.

War ich zu früh am Bahnhof eingetroffen oder der Zug verspätet, verbrachte ich die Zeit kostenlos in der „DB-Lounge“ mit Kaffeetrinken und Zeitunglesen. Frankfurt am Main war hier mein Favorit. 2005 legte die Deutsche Bahn das „BahnBonus-Programm“ auf. Ich sammelte mit jedem Fahrkartenkauf fleißig Punkte und löste die in Freifahrten oder Upgrades ein. Hatte ich sonst noch etwas zu bezahlen, so konnte ich auch die neue Kreditkartenfunktion meiner Bahncard nutzen.

Weniger komfortabel ausgestattet, aber mit demselben finanziellen Effekt des halben Preises, gibt es das Halbtaxabo der Schweizer Eisenbahnen. Preiswerter als die deutsche Bahncard, nutzte ich das ab 2004 nahezu zwölf Jahre lang für meine beruflichen Reisen von Basel aus durch die Deutschschweiz, in die Romandie und ins Tessin. Auch von diesen Plastikkarten habe ich einige aufgehoben.

Ab dem Jahre 2013 zierte kein Konterfei meines Kopfes mehr die deutsche Bahncard und zeugte vom Älterwerden. Eine nette Geste der Bahn, wenn auch vermutlich nicht als solche gemeint.

Als die beruflichen Reisen zu Ende gingen, kaufte ich die Senioren-Bahncard. Den Komfortstatus hatte ich schon eine Weile verloren. Es war dann die Corona-Pandemie gewesen, die zuerst meine Reisen beschränkte, und schließlich dazu führte, das Abonnement für die Bahncard zu kündigen.

Um mit Freunden zu verreisen, wozu man mich gestern ermuntern wollte, brauchen Senioren meist keine Bahncard. Sie nutzen eher das Deutschland-Ticket. Doch die Erinnerung an lange Bahnreisen, auf denen man unterwegs zuhause ist, die hat die Post von der Deutschen Bahn mal wieder geweckt.

 

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