Fährt dieser Zug nach Kötzschenbroda?

Pünktlich zum Frühjahrsanfang 2016 wird der viergleisige Streckenausbau im oberen Elbtal abgeschlossen. Die S-Bahn, der Zug nach Kötzschenbroda, fährt zwischen Pirna und Coswig durchgehend auf eigenem Gleis. Doch wie geht es weiter mit dem Schienenverkehr im Raum Dresden? Vielleicht bringt ihn die Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt etwas voran.

dampflok„Verzeihen Sie, mein Herr, fährt dieser Zug nach Kötzschenbroda? Er schafft’s vielleicht, wenn’s mit der Kohle noch reicht.“ (Bully (Hans Joachim) Buhlan). „Nein, das ist der Zug nach Moritzburg. Ihrer fährt auf dem Bahnsteig gegenüber!“ (Stefan Grahl)

Doch in den ersten Märzwochen wird kein Zug nach Kötzschenbroda fahren. Es fehlt nicht an Kohle, wie im berühmten Gassenhauer von 1946. Vielmehr sperrt die Deutsche Bahn die Strecke zwischen dem Bahnhof Dresden-Neustadt und Coswig. Der viergleisige Ausbau geht in die letzte Etappe. Am 20. März soll die Trennung zwischen Fernbahn- und S-Bahn-Gleisen abgeschlossen sein. Dann rollen die S-Bahnen im oberen Elbtal zwischen Pirna und Meißen durchgehend auf eigenem Gleis. Ein neuer Haltepunkt am Bischofsplatz, von dem aus auch die Bunte Republik Neustadt“ schnell erreichbar ist, und zwei komplett umgestaltete Haltepunkte sind die letzten Infrastrukturmaßnahmen auf dieser Strecke. wackerbarth-01Die Schnell- und Regionalzüge von Berlin, Cottbus und Leipzig rauschen durch Radebeul mit seinen Weinhängen und Villenvierteln, und wer aufpasst, entdeckt das Belvedere von Schloss Wackerbarth am Fuße der Weinberge. In diesem Jahr feiert man dort 180 Jahre Sektkelterei in Sachsen.

Die Große Kreisstadt Radebeul hat auf Drängen der Bahn, so sagt die Stadtverwaltung, ihre Bahnhöfe vom Fernverkehr abgehängt. Nach dem Streckenausbau gibt es keine Bahnsteige mehr, an denen Fern- oder Regionalzüge halten können. Aber der Zug nach Kötzschenbroda fährt. Das ist die S-Bahn. Die nimmt weiterhin im Halbstundentakt ihre Fahrgäste mit. Noch gibt es keine Entscheidung des Verkehrsverbundes Obere Elbe (VVO), die Zugfolge auf fünfzehn Minuten zu verdichten. Die Mittel für den Nahverkehr werden knapper. Dafür haben die Deutsche Bahn und der Freistaat Sachsen 2014 eine Hochglanzbroschüre herausgegeben: „Strategiekonzept Schiene, Eisenbahninfrastruktur im Freistaat Sachsen“.

Zweifellos ist viel geschaffen worden, allerdings auch viel teurer als geplant. Zum Beispiel der City-Tunnel Leipzig. Anderes braucht länger als ursprünglich vorgesehen. Die Strecke von Dresden nach Berlin ist fünfundzwanzig Jahre nach der deutschen Einheit immer noch nicht vollständig ausgebaut. Zunächst wird sie im Sommer wegen weiterer Bauarbeiten gesperrt. Zum Fahrplanwechsel 2017 (!) soll es dann endlich soweit sein, dass die Züge mit 160 km/h fahren können.

Wie auch immer, pro Stunde ein Schnell- und Regionalzug nach Leipzig (und weiter nach Wiesbaden bzw. Hannover), einer nach Cottbus oder Hoyerswerda und aller zwei Stunden ein Eurocity nach Berlin, das ist alles, was auf den zwei Gleisen neben der S-Bahn rollt. Und so werden es die langen Güterzüge sein, deren Lärm die Anwohner daran erinnert, an einer Bahnstrecke zu leben. Neben Containern transportieren sie vor allem neue Autos…

Dresden bereitet seine Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt vor. In diesem Jahr trägt das polnische Breslau diesen Titel. Dorthin gelangt man von Dresden aus (wieder) mit einem Regionalexpress. Ich werde in Kürze darüber berichten. Elbaufwärts fahren die Berliner Züge weiter nach Prag. Vielleicht gelangen sie dereinst nicht mehr durch die Sächsische Schweiz nach Böhmen, sondern in einem langen Tunnel. Der Freistaat hofft, dass dieses Projekt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. Ebenso wie der Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke nach Görlitz bis an die polnische Grenze. Schade, dass zu Zeiten August des Starken noch keine Eisenbahn fuhr. Damals war Dresden eine europäische Metropole, auch wenn die Preußen im nahen Schlesien und die Habsburger im angrenzenden Böhmen residierten.

Ende März kommt der Frühlingsanfang und der Zug fährt wieder nach Kötzschenbroda. Dort lohnt sich ein Osterspaziergang: zum Elbufer gehen, Osterglocken und Tulpen in den Gärten bewundern und zum Abschluss eines der Weinlokale im Stadtteil Altkötzschenbroda, dem „Grinzing von Dresden“ besuchen. Gute Reise!

 

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