“Zukunft der Arbeit” heißt die aktuelle Themenwoche der ARD. Diskutiert wird, ob Roboter massenhaft menschliche Arbeitsplätze vernichten werden und ganze Berufe wegfallen. Da stellt sich auch die Frage, ob und wie die Generation(en) der Senioren sich in der digitalisierten Welt zurechtfinden.
Foto: Stefan Grahl (Wien September 2016)
In der heutigen (26.10.2016) Online-Ausgabe der “Tagesschau” erklärt ein Datenjournalist „Man muss den Wandel mitgehen“. Er begründet seinen Optimismus mit zwei Fakten: erstens muss nicht alles, was automatisierbar ist, zwangsläufig auch durch Roboter erledigt werden, und zweitens, die Digitalisierung schafft neue Arbeitsplätze. Gefährdet seien vor allem gering qualifizierte Beschäftigte. Letzteres Argument klingt nicht neu. Man hört es immer, wenn billigere Arbeitskräfte ins Land kommen, sei es durch den europäischen Binnenmarkt oder durch Immigration.
Ob die Automatisierbarkeit eines Arbeitsplatzes hoch oder niedrig ist, hängt zunächst von seiner “Technisierbarkeit” ab. Das ist eine notwendige, jedoch noch keine hinreichende Bedingung, um es mal im Mathematiker-Jargon auszudrücken. Die automatisierte Funktion muss auch praktisch nutzbar sein. Ein Beispiel: seit Jahren schon steht neben Check-In-Automaten auf Flughäfen Servicepersonal, das ungeübten Passagieren hilft…
Der oben genannte Journalist hat einen Job – Futuromaten entwickelt. Ich gebe ihm meinen Beruf des Verkehrsingenieurs ein. Er kennt ihn und ich erfahre: der Grad der Automatisierbarkeit liegt bei 11%, sei also mithin als niedrig einzustufen. Ich lese weiter: “Der Arbeitsalltag dieses Berufs besteht im Wesentlichen aus 9 verschiedenen Tätigkeiten, 1 davon könnten Maschinen übernehmen.” So tröstlich das für den Moment erscheint, so denke ich doch darüber nach, wie ich mit der Digitalisierung zurechtkommen werde, wenn ich nicht mehr von Berufs wegen “dranbleiben” muss.
Der mit der Digitalisierung verbundene Wandel betrifft den Alltag und das Berufsleben. Bei letzterem ist zu unterscheiden, ob es sich um die Arbeitsorganisation schlechthin handelt, z. B. die Kommunikation, oder um das Produkt bzw. die Dienstleistung, für die man verantwortlich ist. Als Verkehrsingenieur höre ich fast täglich neue Meldungen vom automatisierten Fahren, von kooperativen Systemen und von vernetzten Daten für das Mobilitätsmanagement. Augenscheinlich treiben Autoindustrie und IT-Unternehmen die Dinge technisch voran. Dem Verkehrsingenieur, egal ob im privaten Büro, in der Verwaltung oder an Hochschulen, bleibt nichts anderes übrig, als diesen Wandel mitzugehen. Schon deshalb, weil er die Auswirkungen auf Verkehrsplanung, Verkehrs- und Mobilitätsmanagement erkennen und beherrschen muss.
Mobil bleiben wollen auch Senioren. Damit sie es können, müssen sie sich zu “digitalen Alten” entwickeln. Was mit Enkel-Fotos auf dem Smartphone noch fröhlich daherkommt, kann bald schon beschwerlich werden. Man muss wissen, was man will: sich für die Autonutzung oder doch die S-Bahn entscheiden, Route und persönlichen Fahrplan bestimmen, Handytickets kaufen. An und in vielen Orten gibt es niemanden mehr, den man persönlich fragen kann. Offensichtlich alles hochautomatisierbare Tätigkeiten. Hinzukommt die Angst der Alten, etwas falsch zu machen und dafür teuer Strafe zu zahlen, oder gar nicht erst das Ziel zu erreichen. Dann bleibt man lieber gleich zu Hause und versucht, wenigstens die nicht weniger stressigen Bankgeschäfte in den Griff zu bekommen. Da ist der Weg zur Sozialen Exklusion (FGSV-Hinweise) nicht mehr weit.
Wer im vorletzten Jahrhundert mit dem Pferdefuhrwerk reiste, dem kam die neue Eisenbahn mehr als suspekt vor. Ähnlich die ersten Autos und die Flugzeuge. Meine Generation ist die zweite der “digitalen Alten”. Die Jüngeren und Jüngsten werden darüber nicht mehr nachdenken müssen. Sie haben es spielerisch gelernt. Vermutlich werden neue Herausforderungen auf sie warten, von denen wir alle noch nichts ahnen.
Heute müssen Ältere nicht, aber können den Wandel mitgehen – und die Gesellschaft sollte sie mitnehmen.
Lieber Stefan Grahl,
Ihre Beobachtung trifft den Nagel auf den Kopf. Sie haben den Text zwar vor drei Jahren geschrieben, aber er ist hochaktuell. Und ganz besonders richtig und wichtig ist der Satz: Die Automotisierbarkeit eines Arbeitsplatzes hänge von seiner Technisierbarkeit ab. Ich denke, das wird noch lange der Fall sein, denn vor allem dort, wo Kreativität gefragt ist – und die ist auch bei nicht wenigen Handwerken gefragt – wird der Ersatz schwierig, vermutlich unmöglich sein.
Hans-Werner Bunz